Stellungnahme zum Konkurs der EMH

Stellungnahme zum Konkurs der EMH

News

Published on 04.09.2024

Vor einigen Tagen hat sich EMH unter dem Hashtag #rettetSÄZundSMF an Sie gewandt, um auf den drohenden Liquiditätsengpass und auf die dringende Notwendigkeit eines Abonnements hinzuweisen. EMH hat darauf sehr viele wertschätzende und unterstützende Reaktionen erhalten, wofür wir Ihnen sehr danken. Die eingeleiteten Massnahmen haben auch Erfolg gezeitigt. Leider hat der Zentralvorstand der FMH am 22. August 2024 mit sofortiger Wirkung sämtliche Zusammenarbeitsverträge ausserordentlich aufgekündigt. Damit hat er seinem eigenen Unternehmen die Existenzgrundlage entzogen. Die EMH hat heute die Bilanz deponiert und damit das Konkursverfahren eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
vor einigen Tagen habe ich mich auf diesem Weg an Sie gewandt, um unter dem Hashtag #rettetSÄZundSMF auf den drohenden Liquiditätsengpass der EMH Schweizerischer Ärzteverlag AG und auf die dringende Notwendigkeit eines Abonnements hinzuweisen. EMH hat sehr viele wertschätzende und unterstützende Reaktionen erhalten, wofür wir Ihnen sehr danken.
Die eingeleiteten Massnahmen haben auch Erfolg gezeitigt. Der Liquiditätsengpass konnte reduziert werden, so dass sich eine Fortführung des Unternehmens mindestens bis gegen Jahresende abgezeichnet hätte. Damit wäre auch eine Diskussion innerhalb der Ärzteschaft und der Ärztekammer zur weiteren Finanzierung möglich gewesen. Die Integration eines bisher nicht existierenden Abonnements für SÄZ&SMF in den Mitgliederbeitrag in der Höhe von maximal 50 - 60 Franken hätte ausgereicht, um das Unternehmen inklusive der Zeitschriften und der digitalen Plattform „Swiss Health Web“ langfristig zu sichern.
Dazu ist es leider nicht gekommen. Der Zentralvorstand der FMH hat mit Schreiben vom 22. August 2024, welches uns gleichentags um 18.20 Uhr auch per E-Mail zugestellt wurde, mit sofortiger Wirkung sämtliche Zusammenarbeitsverträge ausserordentlich aufgekündigt und ultimativ jegliche weitere Publikation der Zeitschrift „SÄZ&SMF“ untersagt.
Damit hat er seinem eigenen Unternehmen -die FMH ist Mehrheitsaktionär der EMH- die Existenzgrundlage entzogen. Auch sämtliche vertraglich vereinbarte Wege der Konsensfindung bei Differenzen, sowie Gesprächs- und Mediationsangebote wurden missachtet bzw. abgelehnt.
Die EMH hat heute die Bilanz deponiert und damit das Konkursverfahren eröffnet.
Das bedeutet vor allem: 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen auf der Strasse und verlieren ihre Arbeitsstelle.
Es bedeutet natürlich auch die sofortige Einstellung der Zeitschriften:
- «Swiss Medical Forum»
- «Primary and Hospital Care»
- «Swiss Archives of Neurology, Psychiatry and Psychotherapy»
- «Cardiovascular Medicine»
- «Swiss Medical Informatics».
Damit verbunden ist ebenso die Einstellung des «Swiss Health Web».
Ein reines Verbandsorgan «Schweizerische Ärztezeitung» soll nach Angaben der FMH, als Inhaberin der Titelrechte, in anderer Form weitergeführt werden.
Der aktuelle Verwaltungsrat, Geschäftsführung und Mitarbeiterschaft des Schweizerischen Ärzteverlages EMH sind über dieses nicht nachvollziehbare Vorgehen fassungslos und behalten sich rechtliche Schritte vor. EMH war kein fremdes Drittunternehmen, sondern seit 27 Jahren das Medienhaus der FMH.
Gegenüber Leserschaft, Autorinnen und Autoren und Geschäftspartnern bedauern wir die Situation, für die der Zentralvorstand der FMH die alleinige Verantwortung trägt. Den vielen, die uns wohlgesonnen waren, danken wir für die langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Konnte man die Entwicklung kommen sehen?

Finanziell schrieb EMH seit 2021 jährlich Verluste im sechsstelligen Bereich. Ursache, um es nochmals zu sagen, war das kontinuierliche Wegbrechen der Werbeeinnahmen von denen EMH für „SÄZ&SMF“ zu 100% abhängig war. Um auch das nochmals zu betonen: aus dem Mitgliederbeitrag an die FMH floss kein einziger Franken. Okay: wenn Yvonne Gilli während ihrer bezahlten Arbeitszeit ein Editorial schrieb, oder schreiben liess, dann wurden auch Mitgliederbeiträge verbraucht. Aber das ist eine Spitzfindigkeit. Da der Zentralvorstand der FMH nicht bereit war, mit einem Antrag zur Integration eines Abonnements -wie das skurrilerweise bei der Revue Médicale Suisse, die nicht der FMH gehört, der Fall ist- vor die Ärztekammer zu treten, musste das Überleben über die zu abonnierende Plattform „Swiss Health Web“ gesucht werden. Die minutiösen Planungen hierfür, selbstverständlich unter Einbezug von Spezialisten, begannen 2020 und wurden vom gesamten Verwaltungsrat inklusive der beiden Zentralvorstandsmitglieder der FMH, welche von der FMH in den Verwaltungsrat der EMH entsendet wurden, Urs Stoffel und Jana Siroka, regelmässig überprüft und wiederholt bestätigt. Das Projekt war nicht überdimensioniert, aber es frass, zusammen mit den laufenden Defiziten sämtliche angesparte Reserven. Solange es gratis war, war das Swiss Health Web mit über 17‘000 registrierten Benutzern ein Erfolg. Aber als mit der Umstellung zu Paywall und Abonnementsabschlüssen, die der Verwaltungsrat ebenfalls einstimmig beschlossen hatte, eine kommunikative Unterstützung nötig gewesen wäre, wurde diese verweigert. Im Gegenteil mit einem FMH-Mailing vom 28. Juni 2024 wurde der Abonnementsabschluss als unnötig taxiert. Daher war es keine Überraschung, dass der Abschluss der Abonnemente im Juli schleppend lief. Angesichts der sich anbahnenden Situation hatte die EMH keine Wahl, als sich mit einem Hilferuf an die Leserschaft zu wenden.

Was sind die echten Gründe?

Warum hat der Zentralvorstand der FMH diesen Hilferuf nicht aufgenommen und unterstützt? Wie kann es kommen, dass die FMH ihr eigenes Unternehmen in den Konkurs schickt und damit auch eigenes Kapital vernichtet?
Als wir vor ziemlich exakt 27 Jahren EMH, zusammen mit dem visionären FMH-Präsidenten Hans Heinrich Brunner gründeten, standen dahinter keine wirtschaftlichen, sondern ausschliesslich berufspolitische Beweggründe: die Berufsorganisation FMH, die im politischen Raum Forderungen stellt, sollte auch im vorpolitischen Bereich Substanz haben. Darum wurde EMH zum Ziel gesetzt: «den Ärztinnen und Ärzten in der Schweiz, unabhängige, neutrale und zuverlässige Informationen in allen Bereichen ihres beruflichen Umfelds zur Verfügung zu stellen». So sollte sichtbar werden, dass man Weiter- und Fortbildung, oder fachliche Qualitätssicherung nicht nur bürokratisch administriert, sondern auch aktiv inhaltlich unterstützt. Dafür wurde das „Swiss Medical Forum“ gegründet, das später aus Kostengründen und zu beider Vorteil mit der SÄZ zusammengelegt wurde. Bücher und weitere Periodika schlossen sich an. Auch die wissenschaftliche Forschung selbst war ursprünglich Teil der „Idee EMH“ zu der damals auch das Open-Access Journal „Swiss Medical Weekly“ gehörte, das als erstes im Rahmen von Sparmassnahmen ausgegliedert werden musste.
Vor allem aber galt während über 25 Jahren für alle unsere Redaktionen ein Redaktionsstatut, das, im Rahmen der gemeinsamen Ziele, eine redaktionelle Unabhängigkeit und journalistische Freiheit garantierte. Selbstverständlich sollte im redaktionellen Teil der Ärztezeitung, ausserhalb der offiziellen Mitteilungen der FMH, ein Diskussionsgefäss bestehen, das auch abweichenden Meinungen oder Widerspruch offenstand. Ein Gefäss für die unterschiedlichsten Vorstellungen der Gesundheitsversorgung, der Weiterentwicklung des ärztlichen Berufes und der medizinischen Deontologie. Ein Gefäss für kluge Ideen, Infotainment und zum Dampf ablassen. Die Produkte von EMH sollten die Vielfältigkeit der Ärzteschaft darstellen und niemals, wie es H. H. Brunner treffend formuliert hatte, als eine Art „Osservatore Romano“ nur unkritisch die Verlautbarungen des Heiligen Stuhls wiedergeben.
Über nichts, über nichts wurde in den vergangenen zwei Jahren mit der FMH-Spitze so viel diskutiert und gestritten, wie über dieses bewährte Redaktionsstatut. Noch in der letzten gemeinsamen Verwaltungsratssitzung wurde mit lauter Stimme betont: „wenn wir bezahlen sollen, dann sagen wir auch überall was drin steht.“
Mit dem Konkurs ist der Zentralvorstand der FMH dieses leidige Redaktionsstatut nun los. Ob es wohl ein neues geben wird?
Publizistische Freiheit und redaktionelle Unabhängigkeit sind ein hohes und verletzliches Gut. Manche halten sie für nicht mehr zeitgemäss.
Vielleicht realisiert man ihren Wert erst wenn sie fehlen - vielleicht auch nicht.
Freundliche Grüsse
Ludwig T. Heuss
Verwaltungsratspräsident (ad interim) der EMH